Ein Albtraum in feshem Lila - Eve & Back
Teil 2: Das Mutterschiff
Das Projekt Eve&Back soll mein größtes überhaupt in KSP werden - Eine bemannte Mission zu Kerbins größerem Nachbarplaneten und zurück. Bemannt, mit tonnenweise Mods, Lifesupport und der Bo. Lange war mein zeitliches Budget und meine Aufmerksamkeit wieder anderen Projekten wie der Bachelorarbeit gewidmet, jetzt will ich weiter in Richtung des lila Planeten durchstarten. Unbemannte Schiffe und Roboter hin oder her - Es wird Zeit das Mutterschiff vorzustellen.
Das Mutterschiff ... ist vermutlich die Maschine von der innerhalb der Eve&Back Mission am meisten gefordert wird und die dabei natürlich trotzdem bitte möglichst klein, kompakt und ohne viele Teile sein soll. Damit ihr einen Eindruck bekommt, hier mein Anforderungskatalog:
- Orbitaler Zusammenbau
d.h. Modulbauweise und natürliche Limitierung auf etwa 35t pro Modul, zudem müssen die Module auf eine Rakete passen. War denke ich soweit klar
- Platz für 6 Kerbals
Genügend Wohnraum, dass die arme Crew nicht Dosenfisch spielen muss
- Delta-V: ~6.000 m/s
Von LKO bis LEO und dann zu Gilly, plus ordentlich Reserven. Soll durch Near Future Antrieb erreicht werden um Gewicht zu sparen
- Bei Gilly Mining und Auftanken
Mining bei Eve ist unrealistisch, auf Gilly hingegen möglich. Aufgrund der niedrigen Schwerkraft kann auf einen extra Lander verzichtet werden, dazu muss allerdings das Mutterschiff landen und im Low-G Bereich bohren. Das Material soll an Bord verarbeitet und gelagert werden können, sprich es muss eine Raffinerie mit.
- Aktive Rolle beim Rendez-Vous mit EAV
Aus Gründen des Gewichts muss das EAV so leicht wie möglich sein - Wenn ihr den Marsianer gelesen habt, wisst ihr was ich meine. Aus diesem Grund wird das EAV nach erreichen des Orbits nicht imstande sein Manöver zu fliegen. Das Mutterschiff muss also das komplette Rendezvous fliegen, während die Kerbals in ihren Anzügen im EAV warten - Das geht maximal 6h, mit Start und Reserven muss das also in 4h durch sein, was Anforderungen an die Manövrierbarkeit und Leistung sowie Präzision stellt.
- Interplanetarer Flug
Bereitstellung von Kryoschlaf-Möglichkeiten. Backup Life-Support System mit Kapazität für mindestens einen Transfer (250d). Dazu auch Gewächshäuser
- Abschirmung gegen Strahlung für den Fall von Sonnenstürmen
Im Endeffekt also nur ein fetter Brummer der alles können soll, ne mega Reichweite hat und sich dabei trotzdem fliegt wie ein Kampfjet.
+++ Baustelle 1: Treibstoff +++
Wie bereits mehrfach erwähnt, fliege ich mit einem NearFuture Antrieb, um hohe isp's auf Kosten von einem hohen Energieverbrauch zu erzielen. Zur Auswahl stehen dabei verschiedene Konzepte, die entweder Xenon, Argon oder Lithium benutzen. Während der Duna Mission war ein Betanken mit Xenon durch eine Aufstiegsstufe, die den Trip wiederholt durchführt geplant. Auf Eve natürlich unvorstellbar. Argon und Xenon, die sich nur aus Atmosphären gewinnen lassen, wären sicherlich auch durch gezielte Aerocapture-Manöver aus der oberen Atmosphäre zu fischen - aber neben der Frage ob man da wirklich mehr gewinnt als durch die anschließenden Manöver verliert, stellen sich auch massive Sicherheitsbedenken ein.
Glaubt mir, ich habs getestet: Auf Kerbin geht die Produktion erst auf 35-38km Höhe los - Das ist schon knackig tief. Bei knapp über 30km ist laut Trajectories auch der magische Punkt, der entscheidet ob man die Atmosphäre wieder verlässt. Und zwar scheinbar unabhängig von der Geschwindigkeit. Es bringt also nichts, sich von einer größeren Höhe in die Atmosphäre zu stürzen, in der Hoffnung dann mehr Geschwindigkeitspuffer zu haben - Die Luftreibung steigt ebenfalls rasant. Mit der Hitze kommt ein weiteres Problem: Wärme. Viel davon. Während Hitze schon ein Problem beim normalen Manöver aus 90km war, wurde sie natürlich umso schlimmer, je höher der Startorbit war.
Und es lohnt sich kaum: Egal auf welcher Höhe ich anfange, ich lande immer in einem Orbit knapp über der Atmosphäre. Sprich: Mit einem höheren Startorbit steigen meine Verluste sogar. Die Produktion läuft auf 35km ebenfalls noch sehr langsam. Im Endeffekt habe ich in einem Manöver Argon im Wert von etwa 35m/s gesammelt. VOR ABZÜGEN!
Die angerissenen Probleme dürften auf Eve nur schlimmer werden. Eine Lösung wäre vermutlich eine Art SSTO, welches sich aus dem Orbit in einen ruhigen Flug in die Stratosphäre begibt, dort die Gase sammelt, um dann wieder in den Orbit zu fliegen. Probleme die dabei auftauchen sind ja nur die üblichen SSTO-Schwierigkeiten + der Fakt dass es auf Eve keinen Sauerstoff gibt, sprich man in der Stratosphäre chemisch fliegen muss + der Fakt dass man leicht rein und schwer raus fliegt. Das kann man also sicher auch vergessen
Xenon und Argon sind also raus wenn es ums auftanken geht. Wie steht es um das Lithium?
Erstaunlich gut: Lithium kann aus Ore gewonnen werden. Eve scheidet als Quelle selbstverständlich aus, aber es gibt ja noch Gilly. Und dorthin habe ich aus diesem Grund auch in einem der ersten Startfenster die Sonde Gilly-Star entsendet. Die hat zwar aufgrund der Zero-G Umgebung nicht wirklich längeren Bodenkontakt halten können, aber immerhin größere Vorkommen an Ore gefunden und den prinzipiellen Machbarkeitsnachweis erbracht.
Problematisch sind hier vorallem drei Punkte: Zunächst ist da die wirklich kleine SOI, die erst einmal getroffen werden will. Als nächstes die schon angesprochenen Schwierigkeiten des Manövrierens unter Zero-G, die schon mit Gilly-Star anstrengend waren. Der kleine Lander war relativ träge und mit nur einem Triebwerk ausgestattet. Nicht wirklich optimal, wenn man keine Schwerkraft als verlässliche Kraft nach unten hat. Zuletzt stellt die unebene Oberfläche, die oft auch nicht waagerecht zur Schwerkraft ist, ein Problem dar. Man landet quasi immer am Hang, obwohl das Definitionsfrage ist. Und der Hang ist auch immer uneben. Sehr uncool.
Eine andere Option wäre es sicherlich, entweder genügend Treibstoff für den langen Flug mitzunehmen, wobei ich daran erinnern möchte dass das Rendez-Vous zum EAV durch das Mutterschiff geflogen wird, dieses also nicht allzu klobig werden darf - oder im Orbit von Eve Tanks zu platzieren, was ich für eine langweilige Lösung halte
Geflogen wird also mit magnetoplasmadynamischem Antrieb, der auf Lithium läuft. Das bedeutet allerdings auch weniger isp und damit mehr Treibstoff als mit den Argon- oder Xenon-Alternativen. Dafür erhalte ich etwas mehr Schub, was mir während des Rendez-Vous sicher helfen wird.
+++ Baustelle 2: Antrieb +++
Hatten wir das nicht gerade schon? Ne, weil wir erst über den Treibstoff gesprochen haben, nicht jedoch über die Triebwerke an sich.
Das Mutterschiff soll auf Gilly in einer vernünftigen Weise landen können (keine Lust noch einen Lander mitzuschicken, wofür auch? Gilly hat so wenig Gravitation, da kann man auch mit nem dicken Klotz landen, macht kaum einen Unterschied), wobei sich aus meiner Sicht ein VTOL-ähnliches System anbietet - Denn ich halte es irgendwie für keine gute Idee, ein 40m-Schiff vertikal zu landen
Auf der anderen Seite ist da das viel genannte Rendez-Vous, bei dem gute Lagekontrolle und schnelle Steuerung gefragt ist.
Um beiden Problemen zu begegnen, habe ich den Antrieb auf zwei Triebwerksgondeln aufgeteilt, die via Servos im 360°-Winkel frei (und unabhängig voneinander) ausgerichtet werden können. Dazu kommt ein einzelnes Triebwerk am Bug des Mutterschiffs, um im VTOL-Modus den Schubpunkt auf den Massenschwerpunkt zentrieren zu können. Das Schiff ist so (auch ohne RCS, welches ich als Notfall-Variante auch verbaut habe) fähig, seine Lagekontrolle schnell anpassen zu können und auch im VTOL-Modus einen wechselnden Schwerpunkt durch Triebwerkseinstellungen berücksichtigen zu können.
Weiterhin erlauben die drehbaren Triebwerke es, das Schiff in beliebige Richtungen zu bewegen, ohne dafür erst das Schiff drehen zu müssen - Ein großer Vorteil während des Rendez-Vous Manövers.
Bis auf die ungewohnte Steuerung funktioniert der Flug im Schwenkbetrieb bereits sehr ordentlich. In verschiedenen Versuchen bin ich auf dem VAB gelandet und habe auf Minmus schon Tests im Vakuum gemacht. In zwei weiteren Fleißarbeiten (yeay ) werde ich zunächst Actiongroups für eine vereinfachte Steuerung festlegen, und dann im SPH für verschiedene Tankfüllstände die benötigten Triebwerksdrosselungen tabellieren, sodass ich mir diese während des Flugs einfach aus einer Tabelle ziehen kann.
+++ Baustelle 3: Landung +++
Im Endeffekt ein großes Problem hier: Wie halte ich Bodenkontakt auf einem Mond ohne Schwerkraft, dessen Oberfläche uneben und schief ist?
Das Mining-Modul des Mutterschiffs ist als eine Art Dorn an dessen Bauchseite ausgeführt. Das Mutterschiff landet im Horizontalflug wie ein VTOL und setzt nur mit dem Dorn auf, an dem Landebeine und das ganze Mining-Zeug sitzen. So jedenfalls mein erster Plan. Problematisch hierbei ist natürlich, dass der Dorn dazu unter dem Schwerpunkt liegen muss, weil das Schiff sonst einfach umkippt. Auf schiefen Oberflächen funktioniert das ebenfalls sehr ungenügend und endet oft genug mit dem Umfallen. Keine gute Idee also, vorallem wenn man bedenkt dass der ganze Sinn der VTOL-Landung ja ist, dass das Mutterschiff eben NICHT umkippt
Um das zu vermeiden sind verteilte Landebeine die bessere Idee. Der Dorn in der Mitte bleibt erstmal, nur sind eben jetzt die Stelzen um das Schiff verteilt. Das Problem der unebenen Fläche wird dadurch gelöst, dass es sich bei den Stelzen nicht um gewöhnliche Landebeine handelt, sondern um ausfahrende Zylinder, die individuell auf jede Oberfläche so eingestellt werden können, dass das Mutterschiff am Ende gerade steht.
Problem gelöst. Bleibt aber noch das Problem, den Bodenkontakt auch halten zu können. Mein erster Impuls hier war die Kralle, von der ich dachte, dass sie auch an Himmelskörpern funktioniert. Tut sie aber nicht.
Ich dachte dann eine ganze Zeit lang, dass es wohl mit den KAS Winden und Enterhaken laufen würde, was ich aber nach wie vor für keine gute Idee halte.
Eine neue Idee ist es, mit einem Kerbal zunächst via KAS eine Bodenbefestigung auf Gilly anzubringen, diese mit einem Dockingport zu versehen und dann mit dem Mutterschiff an diese neu geschaffene Stelle anzudocken. Auf diese weise wird eine stabile, Timewarp-sichere Verbindung hergestellt, die allerdings auch gleich zwei neue Probleme mitbringt: Das Ding muss durch einen Kerbal befestigt werden (Mehr Infos zur Missionsplanung im nächsten Post) und das Mutterschiff muss dann auf nen halben Meter genau fliegen, was mit dem Schwenkantrieb unrealistisch wird (und das RCS notwendig macht).
Es bleibt also spannend
+++ Baustelle 4: Strom +++
Easy one, auch wenns verdammt teuer ist: Ein zwei Gigawatt Atomreaktor (der dickste der Mission) liefert die Grundlast für den Antrieb, während Solarpanele nochmal knapp 1000 EC/s drauflegen, solange die Sonne scheint.
Reicht immernoch nicht für konstantes Fliegen unter Volllast, aber hey. 80-90% sind drin und der nächstgrößere Reaktor wären 3,75m mit knapp dem doppelten Gewicht, bei aller Liebe nein
+++ Baustelle 5: Teil des Schiffs, teil der Crew +++
Größte Sorge während des Flugs sind und bleiben Sonnenstürme, gegen die sich schlicht und ergreifend nur unzureichend geschützt werden kann. Die Stürme sind auch der Hauptgrund warum die Kerbals den Flug im Kryoschlaf verbringen werden. Für den Fall eines Ausfalls des Kryomoduls (das zwar mit großen Sicherheiten geplant ist, aber naja) ist vorgesorgt: Das Mutterschiff hat neben der bleiverkleideten Kommandostation auch ein Habitat-Modul, welches aus vier Aquaponik-Bauteilen besteht. Diese bieten durch den Wassermantel einen guten Schutz gegen Strahlung und die faszinierende Forschungsoption, den Einfluss von unter Radioaktivität aufwachsenden Fischen als Nahrungsquelle für interplanetare Reisen zu untersuchen.
Thema fazinierende Forschungsoptionen: Die Crew wird nicht die ganze Zeit im Kryoschlaf einfach mal cool chillen können, sondern einen Teil des Flugs auch wach sein, um umfangreiche Experimente während des Reiseflugs durchzuführen, die der weiteren Erforschung des interplanetaren Raumflugs dienen. Weitere Details auch hier erst im nächsten Blogbeitrag.
Der Lifesupport wird hauptsächlich durch ein gut ausgelegtes ECLSS-System und große Tanks getragen. Die Aquaponik-Kulturen leisten hier einen schwergewichtigen (ha, habt ihr den verstanden? Weil die Teile auch sackschwer sind ) Beitrag. Als erste Resource würde der Sauerstoff nach etwas mehr als einem Jahr eng werden, wobei dann nicht reversibel aus Wasser weiterer Sauerstoff gewonnen werden könnte.
Das Mutterschiff wird also mit 36,5m Länge und knapp 20m Breite eher ein bisschen kleiner ausfallen, was aber gut in die Anforderungen dieser Mission passt. Verteilt auf 12 Starts werden 9 Module ins All gebracht, durch 2 Tankmissionen aufgefüllt und schließlich durch eine weitere bemannte Mission zu einem 168,8t Mutterschiff zusammengebaut und in Betrieb genommen, bevor die Eve&Back Crew an Bord geht. 2 Jahre wird das Mutterschiff dann unterwegs sein, um der Crew einen Aufenthalt von 400 Tagen bei Eve zu ermöglichen, wobei die Tankzeit des Mutterschiffs abgezogen werden muss.
Nächstes Mal dann wie angesprochen die genaueren Details zur Missionsplanung