Start eine Atlas V Rakete in den USA hier zu sehen?

  • Hallo Community,


    am Freitag Abend hatten meine Frau und mein Sohn gegen 22:30 Uhr MEZ ein seltsames Licht am Himmel gesehen. Ich war nicht dabei, aber da man es mir als unbeweglich schilderte und mein Sohn es als verschwommene Scheibe bezeichnete nachdem er es mit dem Fernglas anvisiert hatte, tippte ich auf den Planeten Saturn, dessen Ringe man ja durch ein Teleskop wahrnehmen kann.
    Ich habe dann aber nicht nachgeschaut ob er zu jener Zeit dort stand.
    Heute Morgen dann stand dazu auch ein Artikel in unserer Lokalzeitung. Da der Artikel geschützt ist kann ich ihn hier nur auszugsweise wieder geben. Ein Hobbyfotograf hat das Ereignis ebenfalls fotografiert, beschreibt es aber als "Das Objekt flog in Richtung nördlicher Horizont". Der Fotograf hat dann mal recherchiert was da los war und ist zu dem Schluss gekommen das es eine fliegende Atlas V Rakete (AV-062) sein mußte.
    Ich habe mich dann gefragt ob man die überhaupt hier sehen kann?
    Die Rakete ist an der Westküste der USA (Luftwaffenbasis Vandenberg) am 11.11.2016 um 19:30 Uhr MEZ gestartet. Die Rakete startet dann ja eigentlich Richtung Westen, also von uns weg. Nach 20 min hat sie ihren 1. Satelliten in ca. 650 km Höhe in einem polaren sonnensynchronen Orbit abgesetzt, 2h später einige weitere Kleinsatelliten. Von der Zeit her kann das also passen, auch wenn die Mission 30 min vor der Beobachtung zusende war, aber hat die Rakete in dieser Zeit mehr wie eine 1/2 Erdumrundung machen können, so das man die hier in Norddeutschland sehen kann?
    Wenn die in Baikonur gestartet wäre hätte ich es nachvollziehen können das man eine der letzten Stufen noch bei uns brennen sieht da sie auf uns zu fliegt, aber bei einem Start in den USA?
    Was sagt Ihr dazu?


    Gruß


    Paranoid

  • Theoretisch könnte es die Atlas gewesen sein. Vermutlich die Oberstufe denn die Zentralstufe fällt ja nach einem Parabelflug in den Pazifik. Die dürfte hier eigentlich nicht zu sehen sein.
    Die Oberstufe aber schon. Auch 30 Minuten sind nicht ungewöhnlich. Immerhin fliegt die ja mit über 27.000 km/h. Interkontinentalraketen sind auch in 30 Minuten gestartet und bis zum Ziel geflogen.
    Es kann aber auch ein anderer Satellit gewesen sein. Habe letztens noch einen im polaren Orbit beim Überflug beobachtet. Lt. meinen Recherchen war es ein russischer/sowjetischer Kosmos. Welcher genau weiß ich jetzt nicht mehr.
    Einige kann man jedenfalls sehr gut mit bloßem Auge sehen. Allerdings bewegen die sich recht schnell. Ein Überflug von Horizont zu Horizont dauert nur wenige Minuten.
    Planeten kann man ausschließen wenn es sich sichtbar bewegt hat.
    Fürs Smartphone gibt es die App 'SkyVie'. Damit kann man über die Handykamera die Position von Planeten, Raumstationen und Hubble-Teleskop sehen. Eine Erweiterung ist die App 'Satellites'. Diese zeigt tausende Satelliten und ausgebrannte Oberstufen etc. an. Wahlweise kann man sich dort die hellsten Objekte anzeigen lassen.
    Die Apps sind zwar etwas ungenau aber für einfache Bestimmungen reicht es.
    Raketen von Baikonur sieht man von uns in der Regel nicht da diese zu weit hinter dem Horizont sind. Außerdem fliegen die nicht in unsere Richtung sondern nach Osten. Raketen starten in der Regel immer nach Osten (Ausnahmen gibt es natürlich). Im Drehsinn der Erde. Ansonsten wäre die Nutzlast zu gering da man gegen die Erdrotation starten müsste.
    Aus dem Grund sind die meisten Startplätze immer an der Ostküste eines Landes damit die Raketen übers Mehr fliegen: Kennedy Space Center, Kourou sowie einige chinesische, indische und japanische Startplätze liegen jeweils an einer Ostküste.
    In Vandenberg wird nicht direkt nach Osten gestartet da die Rakete sonst über Land fliegen würde. Man kann von dort aber sehr gut nach Südosten fliegen weswegen der Startplatz hauptsächlich für Starts in polare Orbits verwendet wird.
    Alternativ kann von dort auch nach Nordwesten, also entgegen der Erdrotation gestartet werden. Allerdings sind dann deutlich kleinere Nutzlasten möglich.

    Kein Kuchen ist auch keine Lösung.

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  • Also, dass man eine Atlas V aus Vandenberg in Deutschland nach dem Start sieht ist relativ (wenn nicht sogar) unmöglich.
    Es gibt diese schöne Grafik der NASA. Die ist zwar noch für das Space Shuttle, aber erfüllt ihren Zweck. Sie zeigt die möglichen Inklinationen (Bahnneigungen), die eine Rakete von Vandenberg aus erreichen kann.
    Vandenberg kann in Richtungen von 158° bis 201°(für das Shuttle, hängt aber von der Rakete ab) starten. (Also 0°=Norden, 90°=Osten usw.) Damit gibt es in diesem Bereich keine Flugwege, die direkt über Deutschland/Europa führen. Nach einiger gewissen Zeit fliegt die Rakete natürlich über Europa, da sich die Erde ja drunter wegdreht.


    Bei uns in Deutschland sieht man nur Raketen direkt während des Starts, wenn sie von Florida, also dem Kennedy Space Center, gestartet werden. Auch da gibt es eine Einschränkung: Je höher die Inklination des Zielorbits ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie sehen können.
    Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass die zweite Stufe der Atlas V etwa kurz vor Afrika abschaltet und dann bei uns nur noch als heller Punkt zu sehen ist. Besonders gut zu sehen war es bei einem Start eines GPS Satelliten. Was auch super passen müsste sind Starts von Amerika aus (da gibt es ja momentan nur das KSC und einen Startplatz in Virginia) zur ISS. Die gehen auch direkt über Deutschland drüber, allerdings vermute ich jetzt einfach mal, dass auch diese ihre Triebwerke dann schon lange aus haben.


    Noch kurz zu Baikonur. Selbst mit den 45° n.B. ist es nahezu unmöglich aus Baikonur eine Rakete in die "falsche" Richtung, also Westen, zu starten. Warum? Da spielen ein paar Geschwindigkeiten mit rein:
    Du bist auf der Erde und die dreht sich. Je weiter du am Äquator bist, desto schneller bist du auch, da der sich ja auch in 24h einmal drehen muss, genauso wie der Nordpol. Dann musst du noch die 7,8km/s für den Erdorbit mit deiner Rakete erreichen. Das sieht dann also so aus:
    Benötigte Geschwindigkeitsänderung: Erdrotation eliminieren + 7,8km/s
    Wenn du aber nach Osten startest sieht das so aus:
    Benötigte Geschwindigkeitsänderung: 7,8km/s - Erdrotation
    Du brauchst also weniger Geschwindigkeit um auf deine 7,8km/s zu kommen, da du von der Erde schon angeschubst wirst.

  • Hallo, danke schon mal für die Antworten. Das sich die Erde unter der Rakete weg dreht ist mir klar, nur die Relation der Geschwindigkeiten war mir nicht bewußt.


    Hier nochmal das Teaserbild, welches bei uns in der Zeitung abgelichtet war. Die Belichtungszeit betrug sicher einige Sekunden, weshalb es ein Stich ist und kein Punkt. Der Fotograf schreibt weiter "Das Objekt flog in Richtung nördlicher Horizont".
    In dem Artikel den ich oben verlinkt habe steht später drin: "Die Bahn des dreiachsstabilisierten Satelliten ist um rund 98 Grad gegen den Erdäquator geneigt, es handelt sich um einen polaren, sonnensynchronen Orbit.".
    Damit muß die Rakete also auch in etwa diese Richtung geflogen sein, da später ja eigentlich nur noch Korrekturen geflogen werden. Sie wird vermutlich danach auch weiter in diese Richtung geflogen sein.
    Liege ich damit richtig das die Rakete von Vandenberg nach NNO, in diesem Fall über Land, gestartet ist?


    Um ein vereinfachtes Modell zu haben gehe ich mal davon aus, das die Rakete sich nach Norden bewegt. Die Geschwindigkeit der Rakete ist unbekannt, kann man aber vielleicht schätzen wenn man Erfahrung hat. Ich rechne mal mit der Umfangsgeschwindigkeit am Äquator und nicht mit der der jeweiligen Breitengrade, (genauer wäre die Geschwindigkeit am 43. Breitengrad ein Mittelwert von Vandenberg 34° und dem Münsterland 52°).


    Die Erde dreht sich am Äquator mit 1674 km/h weiter und würde sich unter der Rakete in 3 Stunden (Beobachtungszeit) ca. 5000 km weiter bewegt haben. Wenn ich die 98° richtig interpretiere fliegt sie 8° weiter nach Osten und bremst damit ihre "Seitwärtsbewegung" die sie durch die Erdrotation mit bekommen hat aus. Das ist nötig für den sonnensyncronen Orbit.
    Die Entfernung zwischen Vandenberg und dem Münsterland beträgt fast 9000 km (Messung über Google Maps). Demnach hätte man die Rakete durch ca. 4000 km Atmosphäre/Weltraum beobachten müssen.
    Die Tatsache, das die Rakete in 20 min (Zeit zum aussetzen des Satelliten mit Sonnensyncronen Orbit) die Seitwärsbewegung der mitgenommenen Erdrotation ausgebremst hat und die Tatsache das die Geschwindigkeit der Erde am 43. Breitengrad geringer ist wie am Äquator sprechen dafür das die Distanz sogar noch größer wie 4000 km gewesen ist. Die Höhe der Rakete ist unbekannt, da sie in dem Artikel nur für den ersten Satelliten angegeben ist. Daher vernachlässigen wir mal die Höhe und gehen davon aus, das sie hoch genug war um eine direkte Sichtlinie auf Norddeutschland zu haben. Damit haben wir grob die Voraussetzungen - wenn meine Überlegungen stimmen.


    Vermutlich ist eine Rakete über eine Distanz von 4.000 + X km durch die Atmosphäre am Nachthimmel zu sehen?


    Gruß


    Paranoid

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